Zivilcouragepreis: Verzicht auf Preisverleihung im Jahr 2019

Im Jahr 2013 hatten die Bürgerstiftung Göttingen und der Präventionsrat für die Stadt Göttingen gemeinsam erstmals den Göttinger Zivilcouragepreis ausgelobt. Im Alten Rathaus wurden sechs Jahre in Folge vor jeweils mehr als 150 Gästen Beispiele mutigen und besonnenen Handels vorgestellt, Preisträger geehrt und die Öffentlichkeit über vielfältige Aspekte des Themas Zivilcourage informiert. Jetzt hat die von Präventionsrat und Stiftung eingesetzte Jury einstimmig beschlossen, im Jahr 2019 keine Preisverleihung vorzunehmen. Der für den 7. November terminierte Festakt wurde abgesagt.

Ausschlaggebend für diese Entscheidung war die zeitliche und emotionale Nähe zu den Groner Tötungsdelikten von Ende September, die nach wie vor viele Menschen in Stadt und Landkreis Göttingen bewegen. Christian Hölscher vom Präventionsverein komm.pakt e.V.: „Der Gesamtkomplex ist längst nicht ausermittelt. Eine Veranstaltungsform, wie wir sie bislang hatten, ist nicht geeignet, die Sprachlosigkeit in der Stadt aufzulösen.“

Mehrere Personen hatten Ende September versucht, den verdächtigten N. in Grone von seiner Tat abzuhalten. Ihr Einsatz war so entschieden und mutig, dass eine Ehrung anderer Fälle zivilcouragierten Handelns aus den vergangenen Monaten für die Jury nicht infrage kam. Nach ihren Kenntnissen sind einige der Göttingerinnen und Göttinger, die das Groner Verbrechen verhindern wollten, so traumatisiert, dass es ihnen nicht zuzumuten sei, in öffentlicher Feierstunde auf einer Bühne im Alten Rathaus Einzelheiten zu erläutern und geehrt zu werden. Es bestehe zudem die Gefahr, dass Tatzeugen während einer solchen Veranstaltung Wissen weitergeben könnten, das für das Gerichtsverfahren bedeutsam sein könnte.

Insbesondere gilt es nach Auffassung der Jury aber, auf die Angehörigen und Freunde der beiden Opfer Rücksicht zu nehmen. Das schließe eine feierliche Preisverleihung aus.

Die unter Leitung des Geschäftsführers der Bürgerstiftung, Andreas Schreck, tagende Jury verzichtete bewusst auf Festlegungen, ob die Preisverleihung im Jahr 2020 nachgeholt werden soll. Sie bat allerdings den Polizeiseelsorger der Polizeidirektion Göttingen, im neuen Jahr mit Zeugen behutsam Kontakt aufzunehmen, die versucht hatten, das Verbrechen zu verhindern. Dann will sich die Jury erneut treffen.

(Rüdiger Reyhn)
Vorstandsvorsitzender

(siehe auch Göttinger Tageblatt, 30.10.2019, Seite 9, bzw. Online-Ausgabe)